Die Formalitäten brauchten erwartungsgemäss viel Zeit, vor allem Royan war plötzlich sehr gefragt. Es kam sogar eine Tierärztin und er bekam ein offizielles, russisches Gesundheitszertifikat (das er anscheinend bei der Einreise schon hätte bekommen müssen). Alle Beamten waren aber weniger stur als damals bei der Einreise nach Russland. Auf der mongolischen Seite noch eine Spur legerer. Nach 4 Stunden Lauferei und Warterei in verschiedenen Büros hatten wir es geschafft, und fuhren erleichtert weiter (es hatte mittlerweile 33 Grad). Der kleine Grenzort auf der mongolischen Seite machte einen noch ärmlicheren Eindruck, als die Siedlungen in Sibirien. Einen gehörigen Schreck jagten uns die vielen Schächte ohne Deckel mitten auf der Strasse ein, die runde Sorte, in die ein Rad unseres Autos genau gepasst hätte. Zum Glück gibt es hier wenig Autos und wir haben die Löcher rechtzeitig gesehen. Nach Altan Bulag gibt es mehr als 100km keinen Ort mehr. In den grünen Hügeln der nördlichen Mongolei sahen wir schon bald die ersten Yurten oder Gers, wie sie hier heissen. Weit und breit nichts als Tierherden, Schafe, Kaschmirziegen, Pferde und wenige Yaks und Kamele. Der Boden ist meist sehr hart und nur spärlich mit Gras und Kräutern bewachsen. Abends konnten wir einfach ein Stück von der Strasse querfeldein fahren und hatten keine Mühe schöne Übernachtungsplätze zu finden. Royan war ganz begeistert von den vielen Murmeltieren und steckte seine Nase in alle Löcher. So muss die Landschaft schon vor Hunderten von Jahren ausgesehen haben. Es sind nur wenige Autos unterwegs, dafür umso mehr Reiter in ihren traditionellen Dels (eine Art knielanger Mantel mit einer farbigen Schärpe um die Hüfte). Die asphaltierte Strasse führte direkt nach Ulaan Bataar und hatte nur wenige Löcher. Mindestens das würde sich leider schon bald ändern , wie uns zwei Motorradfahrer aus England erzählt hatten. Wir trafen sie an der Grenze, sie kamen von der Mongolei und wollten nach Magadan.

Ulaan Bataar war der krasse Gegensatz zur Kulisse seit der Grenze. Westlich gekleidete Menschen, viele Autos, teils Hochhäuser, sogar Kaufhäuser mit allen möglichen Waren aus dem Ausland, überall Reklame, oft in Englisch und Firmennamen wie Liebherr, Kärcher, Brauhaus (eine Bierbrauerei) und natürlich Sony, Nissan usw. Hier lebt etwa eine Million der insgesamt 2,5 Millionen Mongolen. Die Mongolei ist ca. 4,5 mal grösser als Deutschland, dort leben die anderen 1,5 Millionen. In 4 Tagen konnten wir unser Visum um einen Monat verlängern, ein Visum für Kasachstan besorgen, die Schweizer Botschaft besuchen, den kaputten Reifen flicken und noch vieles mehr. Die meisten Dinge waren hier wesentlich unkomplizierter und speditiver zu regeln als zuvor in Russland, eine sehr angenehme Überraschung. Mit den in Ulaan Bataar besorgten Landkarten machten wir uns auf den Weg nach Süden in die Gobi. In der Stadt etwas zu finden war schon nicht immer einfach gewesen, da es keine Strassenschilder gab, logischerweise gab es auch sonst keine Hinweisschilder. So übten wir ein bisschen, bis wir die richtige Strasse bzw. Piste gefunden hatten. Zu dieser Zeit wussten wir noch nicht, dass die Mongolei etwa 5% gebaute Pisten und vielleicht 1% Asphaltstrassen hat, der grosse Rest sind Fahrspuren von denen es jede Menge gibt. Manchmal laufen bis zu 20 oder mehr Spuren parallel, weil die jeweils ältere holperig wurde und das nächste Auto einfach daneben eine neue Spur machte. Pech ist es, wenn die äusseren Spuren langsam abdriften und man es zu spät realisiert. Auf diese Weise haben wir uns einige Male verfahren. Mit Glück, „Händen und Füssen“ und 5 Wörtern Mongolisch und dank der freundlichen, hilfsbereiten Mongolen fanden wir den Weg bis zu den riesigen Sanddünen im Süden auch ohne GPS. Vorbei an grossen Kamelherden und Ebenen voll wildem Schnittlauch, sahen wir immer wieder ausgebleichte Skelette verhungerter oder erfrorener Tiere. Es regnet selten in der Gobi, aber wenn, dann wohl sintflutartig, der harte Boden verwandelt sich in zähen Matsch und selbst Allradfahrzeuge müssen warten bis es abgetrocknet ist. So waren wir ganz zufrieden mit dem Wetter, trotz der drückenden 45 Grad, die das Thermometer am heissesten Tag anzeigte. Vor allem für Royan war es mühsam, immer wenn er endlich aus dem Auto konnte, war es so heiss, dass er manchmal freiwillig gleich wieder eingestiegen ist. Als es nach einem Gewitter etwas kühler wurde, spurtete er durch die struppigen Grasbüschel, als wollte er alles nachholen. Dabei hat er sich eine Kralle an der Hinterpfote der Länge nach gespalten. Zum Glück infizierte es sich nicht, er lief etwa 2 Wochen mit einem Socken hinkend herum, danach löste sich der obere Teil der Kralle und zwei Tage später war er wieder der Alte. Auch wir waren froh, als wir die Hitze hinter uns hatten, obwohl die Gobi den Aufwand wert war. Anders als in den Tropen, kühlt es nachts um mehr als 20 Grad ab. Das mag wohl auch der Grund sein, dass wir dort unten eine Schlucht fanden, in der es tatsächlich noch meterdickes Eis vom letzten Winter hatte, allerdings wächst es im Winter bei den eisigen Temperaturen auch auf eine Dicke von mehr als 20 Metern an. Wie die Tiere und Menschen hier diese Extreme aushalten und überleben können, war uns ein Rätsel. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz entdeckten wir einen Felscanyon und konnten auf dem trockenen Flussbett weit hineinfahren. Als der Boden plötzlich tief wurde, stellten wir das Auto auf einem erhöhten Platz ab und fanden zu unserem Erstaunen eine klare Quelle, die für saftiges Grün sorgte, aber leider nach etwa 20m schon wieder im Boden versickerte. Ein guter Campingplatz und Beobachtungsposten. Hoch oben in den Felsen sahen wir Geiernester und abends kam eine Steinbockfamilie zum Trinken. Auch wir hatten plötzlich genug sauberes Wasser zum Waschen und sogar Duschen. Beim Fahren staubt es ständig, alles im Auto wird eingepudert mit einer feinen braunen Schicht, die natürlich auf der verschwitzten Haut gut klebt. Einmal sind wir so tief in den losen Sand geraten, dass die Schaufel und die Sandbleche zum Einsatz kamen. Nicht gerade ein Vergnügen bei der Hitze, aber wenigstens konnten wir uns selbst helfen, da wir den ganzen Tag noch niemand gesehen hatten. Auf dem Weg zurück nach Norden kam uns ein violetter Unimog entgegen und gab Lichthupe. Wir dachten schon andere Reisende mit dem eigenen Auto zu treffen, und freuten uns darauf mit ihnen zu reden. Dann stieg ein Mongole aus und fragte uns nach dem Weg. Das war mindestens genauso ungewöhnlich, wie ein Auto mit europäischer Nummer. Der Unimog war ein Fahrzeug des Reiseunternehmens „Nomadtours“ und der Fahrer war vermutlich auf der Suche nach dem Weg für eine neue Tour für Touristen. Ein paar Tage später passierte es tatsächlich noch einmal. Eine Dame mit ihren zwei Enkelkindern aus Ulaan Bataar stieg aus, sie stammte ursprünglich aus Deutschland und hatte den Fahrer engagiert um sie zu den Dinosaurierfundstätten im Süden zu fahren, von wo wir gerade kamen. Sie waren unsicher ob die Richtung stimmte. Einigermassen tröstlich, dass auch die Mongolen nicht immer so selbstverständlich den Weg finden. Weiter im Norden reisten wir wieder auf einer Höhe zwischen 1500 und 2000m, alles war wieder grün und es gab sogar an den Nordhängen Wald und viele Blumen. Die Wiesen waren weiss gesprenkelt mit Edelweiss, als ob sie jemand gesät hätte. Die Flussbetten waren nicht mehr ausgetrocknet sondern führten Wasser, manchmal auch mehr als uns lieb war. Brücken gibt es sehr selten, einmal hatte die Furt an der Einfahrt so tiefe Schlammlöcher, dass die Hinterachse aufsass. Zufällig hatte nicht lange vor uns ein Jeep den Fluss durchquert, und der Fahrer nutzte das Bachwasser um sein auslaufendes Kühlerwasser wiederaufzufüllen. Mithilfe unseres langen Seils hatte er uns schnell herausgezogen. Gerade noch rechtzeitig zum Nadaam Fest erreichten wir das Aimag Zentrum Arvaikheer. Ein Aimag ist ein hiesiger Kanton oder ein Bundesland. Im Hauptort gibt es meist einen Flughafen, Mobil- und Internetverbindung. Die wenigen Steinhäuser sind entweder Verwaltungsgebäude, verfallende Fabrikgebäude oder Wohnblocks aus russischer Zeit. Der Rest ist aus Holz, Blech oder Lehm gebaut, vielfach stehen Jurten hinter den Zäunen. Fliessendes Wasser gibt es auch hier nur in den Steingebäuden. Zum Teil liefern Wasserverkäufer mit Pferdewagen und selbst gebastelten Tanks aus alten Oelfässern das Wasser. Kinder schieben kleine Karren mit Milchkannen zu einem Brunnenhäuschen wie in Sibirien, nur dass es hier nur zu bestimmten Zeiten Wasser gibt. 30% der Gesamtbevölkerung eines Aimagsleben dort, der Rest auf dem Land verstreut in Jurten. Nadaam ist das wichtigste Fest im Jahr. Es gibt eine Art Festumzug (den wir leider verpassten), Ringkämpfe, Bogenschiesswettbewerbe und Pferderennen. Der Legende nach, wollten früher einmal 3 Bewerber eine schöne Königstochter heiraten. Der Vater versprach sie demjenigen, der am besten Ringen, Bogenschiessen und Reiten konnte (das Mädchen wurde wohl nicht gefragt). Die Distanz des Pferderennens sind 30km, geritten wird ohne Sattel, auf den Pferden sitzen Buben im Alter von 6 bis 10 Jahren. Die Ringkämpfe sind eine Mischung aus klassischem Ringen, dem Schweizer Schwingen (hier packt man den andern nicht an den Hosen sondern an einem Jäckchen) und fernöstlichem Tai Ji. Geschossen wird mit Bogen die aussehen wie die aus Dschingis Khans Zeiten. Im Ort wimmelte es von Reitern in ihren schönsten Dels, Motorrädern und auch Autos vom alten Russenjeep bis zum Toyota Landcruiser. Marktstände, Buden mit Esswaren, Musik, kurz ein richtiges Volksfest. Eine gewaltige Staubwolke hängt über Allem, trotz oder gerade wegen des Windes, der unaufhörlich von Südwesten her bläst. Spannend war auch Bert und Monika zu treffen, zwei Österreicher mit ihrem grossen Unimog, die ausserhalb am Strassenrand standen, und erst vor 3 Wochen in Oesterreich weggefahren waren. Sie haben ihr Hobby, das Reisen zum Beruf gemacht und sind auf dem Weg nach Ulaan Bataar, um dort Touristen abzuholen, die sie dann durch die Mongolei fahren.

Von Arvaikher aus fuhren wir in Richtung des Khangay Gebirges im Zentrum der Mongolei. Es gibt einige dreieinhalbtausend Meter hohe Berge und die Landschaft ähnelt ein bisschen den Alpen, nur stehen hier nicht Alphütten sondern Gers. Käse wird ebenfalls gemacht und auch Airag, ein leicht alkoholisches Getränk aus vergorener Stutenmilch, das wir zwar probierten, aber nicht auf häufigeren Genuss Lust bekamen. Ansonsten hätten wir es den Nomadenkindern, die es so oft am Wegrand verkaufen wollten, gerne abgekauft. Nach Avaikheer hatten wir beide zum ersten Mal Verdauungsprobleme, und wie es manchmal so ist, kam einiges zusammen. Wir hatten Schwierigkeiten die richtige Spur zu finden, mussten oft bei Gers fragen, was wegen der Hunde jedes Mal spannend war. Alle Mongolen haben grossen Respekt vor Hunden, was eher darauf schliessen lässt, dass ihre eigenen ziemlich bissig sein müssten. Bis heute haben aber alle glücklicherweise nur gebellt. Nun war mir aber zusätzlich noch schwindlig und schlecht, Royan jammerte weil der Weg so schlecht war und das Auto schaukelte wie ein Schiff im Sturm. Rauslassen konnten wir ihn nicht, wegen seiner verletzten Pfote und abstützen konnte er sich schlecht, weil er dann mit der losen Kralle jedes Mal hängen blieb. Walter ging’s auch nicht besonders, aber trotzdem fuhren wir weiter, weil es die ganze Zeit nach Regen aussah und wir dann auf diesem Weg auf keinen Fall mehr vorwärts gekommen wären. Vor allem wussten wir, dass laut Karte noch mindestens ein Fluss zu durchfahren war, bei Hochwasser ebenfalls für uns nicht mehr zu schaffen. Als wir nach Stunden, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 10km/h über zwei Pässe gerumpelt waren, erreichten wir schliesslich den besagten Fluss. Ungefähr 20 Meter breit und etwas mehr als knietief (ich war mit den Anglerstiefeln durchgelaufen und musste auf den glitschigen Steinen aufpassen in der Strömung das Gleichgewicht nicht zu verlieren). Es spritzte ziemlich, was ich leider nicht festhalten konnte, weil im entscheidenden Moment der Fotoapparat nicht richtig belichtete (gab etwas später ganz den Geist auf, ausgerechnet das Teleobjektiv hatte vermutlich zu viel Staub abbekommen). Froh vermeintlich heil durchgekommen zu sein, fuhren wir bereits der nächsten heiklen Stelle entgegen. Ein breiter, schlammiger Bach mit sehr steiler Ein- und Ausfahrt. An diesem Tag hatten wir ein Auto gesehen. Beide hatten wir heute schon mehr als genug spannender und nerviger Momente gehabt und fragten uns, ob es diesmal nie ein Ende hätte. Es hatte ein Ende, der Motor stotterte und mit dem letzten bisschen Schwung rollten wir über den Rand der Böschung. Erschreckende Erkenntnis, das Auto läuft nicht mehr! Walters erster Gedanke, Wasser im Motor! Ich wusste nicht was das bedeutet und war nur froh, dass wir nicht im Schlamm steckengeblieben waren. Royan war der einzige der sich freute, raus aus dem schwankenden bockenden Gefährt, auf eine Wiese voller Yacks und Mauslöcher. Yacks sind für ihn genauso spannend wie Kamele, beide sah er nie zuvor, Yacks sind zottelig, brummen wie Bären und riechen aber nach Kuh, so was muss ja interessant sein. Das spannende für uns war, wie wir das Auto wieder zum Laufen bringen. Der Luftfilter tropfte und die Schläuche waren nass, notdürftig trocknen, den Ersatz Luftfilter einsetzen und wieder den Anlasser drehen lassen. Eine Erlösung, als der Motor zwar holprig und stotternd, aber doch wieder ansprang. Hier waren wir wirklich fast am Ende der Welt und es wäre sehr kompliziert geworden das Auto wegzubringen. Eine Wolke weisblauen Rauchs machte uns zwar Sorgen, aber alle Schutzengel hatten sich wohl sehr für uns ins Zeug gelegt. Nichts desto trotz kamen wir 5 Min. später an den nächsten Fluss vom gleichen Kaliber. Diesmal stand auf der anderen Seite ein Einheimischer mit seinem Motorrad und wunderte sich sichtlich, warum wir statt durchzufahren anhielten, um die Motorhaube zu öffnen. Als Walter dann ausgestiegen ist, kam er zu uns um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Aus einer Petflasche bastelten wir eine Verlängerung für das Ansaugrohr. Nachdem wir den trockenen Ersatzluftfilter vorsichtshalber rausgenommen hatten, stülpten wir einen Nylonstrumpf über das Ansaugrohr um den gröbsten Dreck draussen zu halten. Buchstäblich mit dem letzten „Schnuuf“ erreichten wir das andere Ufer, das Ansaugrohr war dieses Mal zwar trocken geblieben, der Sog hatte die weiche Petflasche aber zusammengezogen, so dass der Motor zu wenig Luft bekam. Einmal mehr hatten wir Glück gehabt, dass wir nicht mitten im Wasser stehen geblieben waren. Eigentlich hatten wir zu einem Wasserfall am Orkhonfluss fahren wollen. Nachdem sich am anderen Tag jedoch ein Fluss an den anderen reihte, und der Weg mit grossen Lavasteinen, für die unsere Bodenfreiheit zu klein war, förmlich gepflastert war, gaben wir das Vorhaben auf. Die wenigen Siedlungen die wir auf dem Rückweg nach Kujirt durchquerten glichen einem Irrgarten, weil wir ständig fragen mussten, welche Spur in die richtige Richtung führt. Entweder gab es wirklich mehrere Möglichkeiten oder die Leute zeigten uns den Weg, den sie mit einem Pferd oder Yackkarren nehmen würden. Jedes Mal wenn ein Fluss auftauchte, bangten wir, ob wir schon wieder den Luftfilter ausbauen mussten, das Auto rauchte inzwischen nicht mehr weis dafür blau, besonders morgens wenn der Motor kalt war. Merkwürdigerweise verbrauchte er weder mehr Oel, noch mehr Sprit und das Kühlerwasser blieb auf dem gleichen Level. Als es mal Telefonverbindung gab, telefonierte Walter mit dem Werkstattchef der Mercedesgarage in Menznau, wo wir das Auto gekauft hatten. Sie haben uns geraten den Motor in der Mongolei nicht reparieren zu lassen. Also fuhren wir nicht zurück nach Ulaan Bataar, sondern weiter nach Nordwesten über Dschinggis Khans alte Hauptstadt Karakorum zum See Zagan Nuur. Als wir auf eine Hauptverbindungsstrasse stiessen, sahen wir schon von weitem den Fluss - aber „Freude herrscht!“ es gab eine Brücke. Erst als wir mitten drauf waren, merkten wir in welch desolatem Zustand sie war. Seitdem sehen wir uns jede genau an bevor wir drüber fahren. Der See Zagaan Nuur entstand durch einen Vulkanausbruch dessen Lavastrom einen Fluss aufstaute. Es sieht heute noch so aus, als ob der Schwarze Kegel die Gesteinsmassen eben erst ausgespukt hätte, nur die vielen Lärchenbäume und die Flechten die dazwischen wachsen bringen Leben in die karge Landschaft. Ganz untypisch hatte sich Nebel gebildet, die Berge waren verhangen wie bei uns im November und es nieselte und war kalt. Nicht gerade das ideale Campingwetter um ein paar erholsame Tage einzuschalten. Dazu kam es dann sowieso nicht. Wir kreuzten einen Landrover mit österreichischer Nummer und natürlich gab es eine längere Unterhaltung mit Manfred aus dem Burgenland, der pensioniert ist und jeweils ein halbes Jahr in Bariloche (Patagonien / Argentinien) verbringt und im Moment Touristen durch die Mongolei fährt. Er wusste ziemlich viel über Motoren und Schwierigkeiten, die man auf einer Reise kriegen kann. Er fuhr mit den verschiedensten Autos mehr als 20 Jahre mit Touristen durch ganz Asien und Afrika. Er riet uns dringend nach Ulaan Bataar zurückzufahren, und war überzeugt, dass die Einspritzdüsen nicht richtig funktionierten. Mittlerweile hatten wir mehr als tausend km „geraucht“, aber kein Öl gebraucht. Statt am See ein paar schöne Tage zu verbringen, holperten wir also am nächsten Tag nach Osten Richtung Ulaan Bataar. Leider war der Besuch in der dortigen Mercedesgarage ein ziemlicher Leerlauf. Der Werkstattchef kam zwar aus Deutschland, hatte aber eine Aversion gegen die Mongolei und seine letzten Arbeitstage hier, sowie keinerlei Interesse herauszufinden, was mit dem Auto nicht stimmte. Er wollte uns nicht dabeihaben, als sie ihren Check machten. Das sagte er uns allerdings nicht selbst, obwohl er daneben stand, sondern schickte die Sekretärin. Natürlich blieben wir trotzdem dabei, er selbst tat nichts ausser ebenfalls herumzustehen. Mit ihrem computergesteuerten Diagnosegerät konnten sie an der Elektrik nichts finden, und damit war der Fall erledigt. Walter bestand darauf, dass sie die Kompression prüften, der 3. Zylinder hatte dann nur 50%. Daraufhin wollten sie ein neues Pleuel bestellen, weil die fehlende Kompression angeblich nur davon kommen könnte. Das war uns dann zu unsicher, erstens trauten wir seinem Urteil und zweitens seiner Kompetenz nicht. Die Arbeiter machten einen besseren Eindruck, durften aber nichts sagen. So hoffen wir in Russland oder Kasachstan eine bessere Garage zu finden, und vor allem dass unsere „charascho maschina = gutes Auto“ weiterhin nicht streiken wird. Wir konnten per Zufall den Fahrer einer amerikanischen Friedensorganisation nach dem Zustand des Weges durch den Norden der Mongolei fragen. Er war der erste den wir trafen, der diese Strecke schon gefahren war, alle andern wussten nur dass sie schön sei, aber nicht in welchem Zustand. Sein Urteil: „many, many rivers“. Zu allem Ueberfluss hat es dieses Jahr in der Mongolei ungewöhnlich viel geregnet. Also beschlossen wir schweren Herzens auf die schöne Landschaft des Nordens zu verzichten und stattdessen auf der Südroute nach Westen zu fahren, wo es weniger Flüsse und ab und zu Brücken gab. Was vor uns lag war eine Stecke von etwa 2000km, davon etwa 200km schlechter Asphalt. Die restlichen 1800kmzu 95% keine Schotterpisten, sondern nur Fahrspuren auf dem jeweils vorhandenen Untergrund. Mit unserem Bus heisst das zwischen 10 und 20km/h Durchschnittsgeschwindigkeit um den Verschleiss am Auto möglichst gering zu halten. Wenn etwas kaputt geht, muss man selber flicken. Nach zwei platten Reifen wäre uns das fast passiert. Eine Zeit lang mussten wir jeden Morgen wieder pumpen weil einer Luft verlor. Noch rechtzeitig erreichten wir Hovd, ein Aimagzentrum, wo es eine Reifenflickerei gab. Auf der Strecke dahin wurde es noch einsamer als zuvor, einmal fuhren wir einen Tag lang ohne eine Menschenseele zu sehen. 550km weit gab es keine Tankstelle und wir füllten sicherheitshalber unsere Ersatzkanister. Die ganze Gegend ist sehr trocken. Wir sahen aus Natursteinen aufgebaute Mauern und manchmal auch solche mit Dächern aus Holz und Lehm, die als Winterställe für die Tiere dienen. Die Temperaturen fallen hier im Winter bis zu minus 40 Grad. Jurten hatte es über weite Strecken sehr wenige, vermutlich waren sie zurzeit an einen anderen Ort gezogen. Dafür gab es sonst auf der Strecke viele sehr interessante Begegnungen, allerdings auch eine sehr unangenehme. Noch vor Hovd passierten wir das Aimagzentrum Altai. An diesem Abend hatten wir lange nach einem geeigneten Übernachtungsplatz gesucht und waren dem Ort dabei immer näher gekommen. Wenn irgend möglich vermeiden wir Übernachtungen in der Nähe von Siedlungen und stellen das Auto so, dass man es von der Strasse aus nicht sehen kann. Endlich glaubten wir ein verstecktes geeignetes Plätzchen gefunden zu haben. Wir wunderten uns warum hier so viele Familien mit Gers und gewöhnlichen Zelten am Zügeln waren. Darum war es schwierig gewesen, einen Platz in der offenen Graslandschaft zu finden, wo man uns nicht schon von weitem gesehen hätte. Bevor wir endlich gut standen, wären wir um ein Haar noch in einem Zieselbau  steckengeblieben. Als ich mit Royan vom Spazieren gehen zurückkam, standen 2 Mongolen vor unserem Auto. Ich dachte mir nichts dabei, weil sich schon oft Einheimische für uns interessiert hatten, aber noch nie in schlechter Absicht. Es waren zwei junge Männer die vor der offenen Schiebetür standen. Als ich näher kam sagte Walter zu Royan „gib Laut!“ und zu mir: die sin bsoffe, mir müe si loswerde! Royan bellte tatsächlich wie ein grosser, er merkte wohl auch dass etwas nicht mehr stimmte. Es gab ein Gerangel, sie versuchten zuerst auf Royan, dann auf mich und zuletzt aufs Auto mit Steinen loszugehen. Zum Glück hat nur die rechte Türscheibe einen Kratzer abbekommen, aber es dauerte eine Weile bis unser Adrenalinspiegel wieder nach unten kam. Wie Walter erzählte, versuchten sie als erstes die Fahrertür zu öffnen, um den Rucksack zu klauen. Er sass hinten und war am Lesen. Da die Tür verschlossen war, gaben sie sich als Polizisten aus und verlangten die Autopapiere und den Pass (den sie natürlich nicht bekamen). Einer stieg ins Auto, worauf Walter ihn wieder rausstiess. Dann wurden sie immer aggressiver, das Ganze dauerte fast eine halbe Stunde bis ich endlich mit Royan zurück war. Das war bisher die einzige negative Erfahrung, die wir gemacht haben. Ein Stück weit waren wir selbst schuld daran, weil wir zu nahe beim Dorf stehen geblieben waren. Wie sich später herausstellte, waren so viele Leute hier, weil am folgenden Wochenende das Nadaamfest war. Nach diesem Schreck nahm dann der Abend doch noch ein gutes Ende. Ein Lastwagen kam uns entgegen, der gross TOURIST angeschrieben hatte. Erst beim Näherkommen sahen wir das deutsche Nummernschild. Hans und Karola kamen aus der Nähe von München, hatten ein MAN-Allradlastwagen zum Wohnmobil ausgebaut und waren wie wir durch Russland in die Mongolei gekommen. Wir suchten nun zusammen einen besseren Platz und gingen erst am Morgen schlafen, so viel gab es zu reden. Sie hatten es eilig nach Hause zu kommen, da ihr Visum ablief. Schon am nächsten Tag trafen wir wieder jemand der auf eigene Faust unterwegs war. Ein Berliner mit dem Fahrrad, dem wir zwei Flaschen Wasser gaben. Wie er die Strecke bei der Hitze, der Trockenheit und der Wellblechpiste schaffte, war uns ein Rätsel. Nicht lange danach tauchte aus einer Staubfahne der nächste Ausländer auf, fast als ob nun auf dieser Strecke alle unterwegs wären, nachdem wir solange niemand getroffen hatten. Wieder ein Paar aus Deutschland, er ein pensionierter Botschafter, die beiden sind auf dem Weg nach Wladiwostock, von wo es dann nach Australien weiter geht. Sie wollen mit ihrem Bremach 3 Jahre unterwegs sein. Am Ortsausgang von Hovd liess der dort stationierte Polizist die Schranke herunter und gab uns zu verstehen, dass wir eine Mutter mit ihrem etwa 10 Jahre alten Mädchen etwa 40km mitnehmen sollten, was wir dann auch taten. Die wenigen Fahrzeuge die von hier nach Oelgi fahren, sind alle mehr als vollbesetzt, was man von unserem natürlich für mongolische Massstäbe nicht grade behaupten kann. Als wir bei ihrem Ger angekommen waren, wollten sie unbedingt, dass wir dort übernachten. Nicht weit weg war ein kleiner Fluss und an der Brücke hatten wir eine Horde Betrunkener gesehen. So blieben wir nur zum Tee, und sie schenkte uns Käse, weil wir fürs mitfahren keine Bezahlung wollten. Erst ein gutes Stück entfernt davon übernachteten wir in einem guten Versteck, denn von betrunkenen Mongolen hatten wir vorerst genug. Nun führte der Weg steiler in die Berge hinauf und die Landschaft wurde immer abwechslungsreicher. Nach einem Pass über 2600m war es mittlerweile angenehm kühl, nachdem wir drei Tage zuvor noch bei 40 Grad geschwitzt hatten. Überall rannten die Murmeltiere über die Wiesen, dazwischen helle Farbtupfer von wenigen Jurten inmitten von Tierherden, darunter auch Kamele und Yacks. Es gab ein paar Wasserdurchfahrten, zum Glück keine wirklich tiefen. Da es in der letzten Zeit vermutlich nicht geregnet hatte, machten auch die schlammigen Stücke keine Probleme. Das Wetterglück blieb uns weiterhin treu. Nicht weit von Oelgi trafen wir Phillip aus Frankreich, der mit seiner Freundin und deren Bruder in einem Ladajeep unterwegs war. Sie hatten noch zwei israelische Tramper dabei, die sie bis Oelgi mitnahmen. Von ihm haben wir viele interessante Tipps bekommen, denn er hatte genau die Strecke gemacht, die wir noch fahren wollten, und war nun auf der Heimreise über Kasachstan und die Ukraine zurück nach Frankreich. War dieser Weg früher mal ein Teil der Seidenstrasse, so ist er scheint’s nun eine Touristentrasse. Zu guter Letzt kamen uns Cäcilia und Kim aus Luzern auf ihren BMW-Motorrädern entgegen. Sie fuhren durch Nordafrika über Syrien, Jordanien, Georgien Aserbeidschan, Turkmenistan, Kasachstan und Russland in die Mongolei, weiter geht’s dann über Kirgisien, China, Pakistan nach Indien. Sie reisen solange ihnen das Geld reicht. Dagegen ist unsere Tour schon eher kurz. In Oelgi angekommen mussten wir unsere Vorräte aufstocken und eine Bewilligung fürs befahren der Grenzregion (China) beim Militär einholen. Wir wollten an den Khoton See im Tavan Bogd Nationalpark, um dort ein bisschen Pause von der langen anstrengenden Fahrerei zu machen. Zunächst wollten sie uns die Bewilligung nicht geben, weil wir keinen mongolischen Führer hatten. Dann hat es aber doch noch geklappt, und wir machten uns auf weitere 180 eher schwierige Kilometer gefasst. Der Weg hielt was er versprach, ein bisschen schlechter und wir hätten umdrehen müssen. Dafür ist die Landschaft umso schöner. Ein blauer See voller Fische, umgeben von Schneebergen und Lärchenbäumen. Ausser verstreuten Gers weit und breit Natur pur. Der See liegt auf 2000m Höhe und es gibt keine Stechmücken. An einem windstillen Abend haben die Fische so gut angebissen, dass wir mit angeln aufhören mussten, sonst hätten wir zu viele Fische gehabt. Wildtiere sahen wir auch hier keine, ausgenommen verschiedene bei uns eher seltene Vögel, wie z.B. viele Wiedehopfe und verschiedene Raubvögel. Schneeleoparden, Wölfe, Hirsche oder Argali Wildschafe machen sich rar. Speziell waren die Steinkreise von etwa 10m Durchmesser, Grabstätten der Skyten, ein Volk von dem man durch die Funde seiner Goldschmiedearbeiten immer wieder etwas hört.

Nach der schönen Zeit an dem Bergsee Khoton Nuur in der Nordwestmongolei, hätte es fast noch ein dickes Ende gegeben, denn es regnete in Strömen bei der Rückfahrt. Die Erdstrassen waren aufgeweicht, und in den grossen Wasserpfützen konnte man unmöglich wissen, wie tief das Loch oder wie schlammig der Untergrund war. Zum Glück hatte der Regen erst am Morgen eingesetzt, sonst hätten wir gleich aufgeben können. Da wir nun schneller über die kritischen Stellen fahren mussten, schaukelte das Auto so, dass wir Royan jedes Mal ausladen mussten, Er sprang danach natürlich nass und mit Dreckpfoten wieder ins Auto. Als ob es nicht schon spannend genug gewesen wäre, stand ein wütender Yackbulle im Weg, den schon das Auto, aber noch viel mehr der Hund störte. Royan hatte anscheinend das Gefühl, dass es ganz lustig wäre, den zu scheuchen und wir brachten ihn nur mit Mühe dazu, schnellstens ins Auto zu kommen. So gab es auf der Rückfahrt einige unsanfte Rumpler, neue Spuren am Boden des Autos und sicher war die Glücksfee auch am Werk, so dass wir am Ende heil in Oelgi ankamen. Zu unserem Erstaunen trafen wir unterwegs sogar noch zwei Motorradfahrer aus Deutschland, die uns auf zwei BMWs entgegenkamen. Bei einem spontanen gemeinsamen Kaffee erzählten sie von ihrer Tour nach Magadan, wo sie unterwegs die Engländer trafen, die unseren Weg an der mongolischen Grenze kreuzten. Wie sie von einem Grenzposten im Osten der Mongolei zurückgeschickt wurden und 1000km zurückfahren mussten (dorthin wären wir beinahe auch gefahren da die mongolischen Grenzer sagten, er sei für Ausländer offen!). Ohne gute Karten, geschweige denn GPS fanden sie durch die Südgobi. Erstaunt hörten sie von uns, dass sie in einem anderen Flusstal unterwegs sind, als sie gedacht hatten, was aber kein Grund zur Aufregung war, die Hauptrichtung nordwestlich zur Grenze nach Russland stimmte ja. In Ölgi konnten wir einkaufen und Diesel tanken. Dort trafen zwei Genfer, die mit ihrem VW Bus von Kasachstan kamen, sie erzählten, dass man dort keine Registrierung mehr braucht (das war wirklich eine sehr gute Nachricht!). Ab Ölgi wechselte die Mentalität der Leute spürbar, plötzlich sahen wir viele unzufriedene Gesichter, Kinder bettelten und waren aufdringlich. Ein Erwachsener versuchte mir Geld abzuknöpfen, als Eintritt für den Markt. So wurden wir vorsichtiger, vor allem in der Auswahl der Übernachtungsplätze. Ein gutes Gefühl nun Royan dabei zu haben, alle hatten nach wie vor grossen Respekt vor ihm. Auf dem Weg zur Grenze bei Tashanta, gab es sehr dicke Murmeltiere, so dick dass sie nur langsam voran kamen, darum konnten wir sie aus der Nähe bestaunten, und fast nicht glauben, dass sie so gross werden können. Als ob unsere Skepsis betreffend dem Charakter der Menschen in der Grenzregion noch eine Bestätigung brauchte, setzten die mongolischen Grenzbeamten alles daran, von uns noch etwas Geld zu bekommen. Zuerst mussten wir lange warten, dann behaupteten sie wir dürften Royan nicht über die Grenze nehmen, wollten unbedingt, dass wir ihn aus dem Auto nehmen (natürlich nur damit sie ungehindert hinein könnten). Das Dumme am Ganzen ist nur, dass man immer eine Weile braucht bis man herausfindet, welcher der Uniformierten für was befugt ist. Durch die ganze Warterei hatten wir Zeit zu beobachten, wie andere Fahrer den Beamten verschiedenes zusteckten. Von uns bekamen sie am Ende nichts, auch wenn es womöglich mehr Zeit und ein paar Nerven gekostet hat.

 

Zurück in Russland

Danach ging es einige km durchs Niemandsland zur geographischen Grenze auf 2500m Höhe. Neben dem Schlagbaum steht eine kleine Bretterbude mit einem Schreibtisch und einem Holzofen. Darin sind zwei Soldaten stationiert, mit der Aufgabe alle aufzuhalten, die dem eigentlichen Zoll weiter unten noch nicht genehm sind. Der Minibus vor uns war mit etwa 20 Leuten, darunter auch Kinder, besetzt, meist Kasachen und einige Mongolen. Sie kamen aus Ulaan Bataar und wollten nach Astana. Diese Reise geht Nonstop, es sind 2 Fahrer, angehalten wird nur zum Pinkeln oder um Essen zu beschaffen, oder eben wenn der Zoll einem dazu zwingt. Nach 3 Stunden hatte ich keine Geduld mehr und kratzte mein dürftiges russisch zusammen um zu schimpfen, zufällig kam gerade noch ein Beamter in Zivil mit einem Jeep, der ein bisschen Englisch konnte. Etwas ratlos meinte er nur: “This is russian Ordnung!“ Wir mussten lachen und die Situation entspannte sich. So machten alle aus der Not eine Tugend und es wurde ein Picknick veranstaltet, die Kasachen steuerten kaltes Pferdefleisch und Hartkäse bei und wir die Süssigkeiten. Sie schenkten Walter eine typische Kasachenkappe und strahlten, als er sie gleich aufsetzte. Am Ende hatten sie unsere Dächlikappen die Walter auf diversen Basketballturnieren bekommen hatte. Dass es manche Reisenden noch schlechter treffen, haben wir eine Weile später erfahren. Sie hatten einen Franzosen 3 Tage lang aus reiner Schikane immer wieder zurückgeschickt, bis am Ende sein Visum beinahe abgelaufen wäre. Die ganze Warterei mit den verschiedenen Stationen der Formalitäten brauchte insgesamt 6 Stunden. Auf der mongolischen Seite waren wir am Morgen bei den ersten in der Schlange gewesen und sahen auch alle Fahrzeuge die aus der Gegenrichtung kamen. An diesem Tag hatten sie 3 Lastwagen, einen Kleinbus und 5 Autos abgefertigt. Den wenigen anderen Fahrzeugen vor uns ging es nicht anders und nach uns kam niemand mehr durch, weil sie Feierabend und Wochenende hatten, am Sa/So ist der Zoll zu. Dazu muss man wissen, dass an diesem Grenzposten für uns sichtbar mindestens 30 Leute beschäftigt waren (nur auf der russischen Seite!). Es klingt wie ein schlechter Witz, aber in einem der vielen Büros mussten die zwei Angestellten tatsächlich geweckt werden, da sie mit dem Kopf auf den Schreibtischen eingeschlafen waren vor lauter Arbeit. Eine machte dann einen Stempel auf irgendein Formular und die andere notierte ich weiss nicht zum wievielten Mal unsere Passdaten in ein Rechenheft. Morgens um 9 bis abends um 5 Uhr hat das Ganze gedauert, unser bisheriger Rekord an einer Grenze. Die Fahrt durch den russischen Altai, den Tschuskitrackt hinunter, war dafür umso schöner, und die Grenze bald vergessen. Ein wilder türkisblauer Gletscherfluss, der Katun, durchquert ein mit Lärchen bewaldetes, enges Tal und zu beiden Seiten erheben sich über 4000m hohe Schneeberge, darunter die Belucha mit 4500m der höchste Berg im Altai. Die Visaregistration in Gorny Altaisk klappte dann problemlos, durch die hilfsbereite unkomplizierte Frau Inspektor, die mir sogar noch das russische Formular ausfüllte, damit ich nicht alles zusammenbuchstabieren musste. Schade dass nicht alle russischen Beamten so sein können, dann würde das Reisen um einiges angenehmer. Eigentlich wollten wir noch einige Tage am Teleskojesee verbringen, der dem Vierwaldstätersee sehr ähnelt. Leider fiel das ganze buchstäblich ins Wasser bzw. in den Dauerregen. Nach einigen Telefonaten mit dem 24h Rufnummernnotdienst Service von Mercedes in Deutschland hatten wir eine Mercedeswerkstatt in Barnaul ausfindig gemacht, die uns evtl. mit unserem Motorproblem helfen konnte. Die Werkstatt war dann erstaunlich klein, nur Platz für zwei Autos, und einige Parkplätze im Freien. Der Chef und seine Arbeiter waren alle noch jung, machten uns aber einen guten Eindruck. Sie fingen sofort systematisch an zu suchen, wo das Problem liegen könnte. So war noch am selben Tag klar, was wir fast nicht für möglich gehalten hätten. Eine der 5 Pleuelstangen war verbogen. Wir mussten Minimum eine Woche auf die Ersatzteile aus Moskau warten, was wiederum bedeutete, dass wir die Einfuhrbewilligung fürs Auto verlängern lassen mussten und somit die ganze Visumrgistriererei hier in Barnaul wieder fällig wurde. Die zuständigen OVIR Behörden waren wieder von der üblichen komplizierten Sorte, so dass ich geschlagene 2 Tage lang von Büro zu Büro und von Amt zu Amt unterwegs war. Das Ergebnis war wie damals in Petersburg gleich Null. Eigentlich ist unser ganzer Aufenthalt illegal weil wir ein Businessvisum haben und die einladende Firma uns in Barnaul nicht registrieren lassen kann. Die einzige Möglichkeit die nötigen Stempel zu bekommen ist, in eines der beiden Hotels zu gehen die den Stempel machen dürfen und somit fürs Doppelzimmer 110.- Fr zu bezahlen. Eine Nacht verbrachten wir dann notgedrungener massen dort. Der Zollbehörde reichte das nicht, sie wollten solange wie die Verlängerung fürs Auto notwendig war auch Hotelübernachtungen. Das hiess weitere Lauferei von Büro zu Büro, ein 3 seitiger Brief der Werkstatt, und das vorstellig werden beim Zollchef war nötig, bis wir endlich die Bewilligung fürs Auto bekamen. Zu allem Übel brauchten die Ersatzteile dann noch länger als geplant. Das waren die mühsamen Dinge von Barnaul. Es gab auch sehr viel Positives. Es ist eine saubere, angenehme Stadt mit sehr vielen Bäumen und gepflegten Parkanlagen. Man hat den Eindruck es herrscht Aufwind und Geschäftigkeit, nicht Resignation und Verfall wie in anderen russischen Städten. Wir waren mehrmals eingeladen, unter anderem auf einer Datscha. Dort verbrachten wir eine feuchtfröhliche Nacht mit Liedersingen und unzähligem Anstossen auf alle möglichen schönen Dinge des Lebens. Walter kam in den Genuss einer „ Generalreinigung“ in der dortigen Banja. Interessant war auch die Begegnung mit vier anderen Reisenden aus Deutschland, die ebenfalls mit ihren Autos aus der Mongolei kamen und nach Kasachstan und danach nach Kirgisien wollten. Walter bekam endlich wieder einen Profihaarschnitt, da Susanne gelernte Friseuse war. Es wurde viel erzählt, von der jetzigen und von früheren Reisen (beide reisten unter anderem mit VW Bussen in Südamerika). Nun fahren sie über China bis Indien zusammen, weiter solange wie das Geld reicht mindestens aber 3 Jahre, also viel länger als wir. In Barnaul haben wir ein neues Objektiv für unsere Kamera gefunden, ausgerechnet das grosse Zoom hatte den Geist aufgegeben.

Royan muss dort einen grossen Fanclub haben, öfter sprachen uns Leute an und wollten sogar Welpen kaufen. In der Garage konnten wir die ganze Zeit auf ihrem Vorplatz campierten. Als wir dann nach 2 Wochen endlich ans abreisen denken konnten, kam ein Team vom lokalen Fernsehsender und wollte ein Interview mit uns machen. Wir staunten nicht schlecht, kurz darauf kamen ihre Kollegen von einem anderen Sender und wollten ebenfalls eine Reportage machen. Als wir am nächsten Tag endlich unterwegs waren, stoppte uns auf der Landstrasse ein Auto, der Fahrer hatte unseren Bus wiedererkannt. Er wollte mit uns sprechen, weil er uns gestern im Fernsehen gesehen hatte, so wussten wir, dass sie es tatsächlich gesendet hatten. Auf dem Weg nach Kasachstan wurde die Landschaft immer herbstlicher. In allen Farben von rot bis geldgelb leuchtende Bäume wuchsen zwischen bizarren Felsformationen. Es entstand der Eindruck als hätte man Steinplatten waagerecht übereinandergeschichtet, daher vielleicht der Name „Matratzengranit“. Die Grenze passierten wir um einiges schneller und angenehmer als die letzte. Wir brauchten 3 Stunden und alle Grenzer waren hilfsbereit und höflich.

 


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