Am 12. Dezember sind wir bei Cucuta an der Grenze zu Venezuela. Auf dem Weg nach Maracaibo bekommt Walter Fieber und zu unserem Erschrecken hat er einen grossen Abzess, nicht gerade das was wir uns bei der Hitze wünschen. Es braucht eine Woche und Antibiotika bis alles wieder gut ist. In Caracas holen wir Post von daheim ab und staunen über die Weihnachtsplätzchen und die lieben Geschenke von zu Hause. Bei St. Cruz verbringen wir am Karibikstrand auf einem Campingplatz unter Palmen Weihnachten und Sylvester. Hier können wir unser Schlauchbootkajak brauchen. Nachdem Walter wieder Fieber und einen 2. Abzess am Arm bekommt, finden wir in Caracas einen Schweizer Arzt. Er verordnet 12 Antibiotikaspritzen, die wir in verschiedenen Apotheken in Caracas zusammensuchen. Alle 8 Stunden eine Injektion, Gott sei Dank wirken sie.
Vorbei am Orinoco erreichen wir die Gran Sabana, wo die Strasse viel besser als erwartet ist. Die parkartige Landschaft mit den kleinen Palmengruppen sieht sehr malerisch aus. Besonders die Tafelberge der Tepuis sind uralte Boten aus einer anderen Zeit. Dort stürzt auch der Angel Fall seine weissen Wasser fast 1000m in die Tiefe. Nach St. Elena Richtung Pauji wird die Erdstrasse zusehends schlechter, der Regen hat metertiefe Gräben gerissen und da es leicht hügelig ist, kommen wir nur langsam vorwärts. Wir fahren bereits durch Regenwald und ein grosses Schlammloch stoppt die Weiterfahrt. Ein freundlicher Lastwagenfahrer wartet bis wir durch sind , er hätte uns ansonsten rausgezogen. Als es dann noch aus Kübeln giesst drehen wir um. Am 13. Januar überqueren wir die brasilianische Grenze.
Von hier nach Boa Vista sind es 200km Naturstrasse. Wir fahren wieder durch Savannanlandschaft mit Zeburindern und Tremitenhügeln. Klapprige Holzbrücken lassen manchmal den Adrenalinspiegel steigen und bald führt die rote Piste durch immer dichteren Urwald. Im Territorio Roraima überqueren wir den Äquator. Unser Bus bockt wie ein störrischer Esel, weil wir nur Benzin tanken konnten, das mit 20 Prozent Alkohol versetzt ist. Bald gibt es bei den Raststellen gar kein Benzin mehr. Da mehrere Brücken kaputt sind verkehren Busse von Manaus bis zur gesperrten Stelle und das gleiche von Boa Vista her. Nur weil unser Bus leichter als die Lastwagen ist, konnten wir noch drüberfahren. So nehme ich mit unseren Ersatzkanistern den Bus Richtung Manaus auf der Suche nach Benzin. Dann geht es per Autostopp wieder zurück. Ich schaffe es nach einem Tagesausflug gerade noch bevor es dunkel wird. Im Wald ist es feuchtheiss bei 40 Grad und als wir in Manaus ankommen, müssen wir kaputte Federn und Stossdämpfer ersetzen und die gebrochene Vorderachse schweissen lassen. Den abgerissenen Stabilisator ersetzen wir nicht mehr, zu oft mussten wir ihn schon gerade richten, weil er auf schlechten Strassen verbogen wurde. Wir finden am Rio Negro einen schönen Hotelparkplatz unter Palmen wo wir campieren dürfen.
Inzwischen haben wir uns ins Portugiesische etwas eingehört, so dass wir uns verständigen können. Die Strasse nach Porto Velho ist unpassierbar und wir verbringen die nächste Woche zusammen mit mehreren Lastwagen auf einem Pontonschubschiff, das uns auf dem Rio Madeira stromaufwärts nach Porto Velho bringt. Der Rio Madeira ist der längste Amazonaszufluss und wir haben ihn in Bolivien schon einmal als Rio Mamore auf dem Wasser erlebt. In Brasilien ist er einiges breiter und nachts funkeln Myriaden von grünen Glühwürmchen am bewaldeten Flussufer. Wir erfahren viel über Brasilien von den Lastwagenfahrern, mit denen wir unseren Campingplatz für eine Woche teilen. Unser Bus hat einen Logenplatz an der linken vorderen Ecke, so dass Walter einigermassen aus dem Auto kann. Die Lastwagen stehen so dicht, dass mit dem Rollstuhl fast kein Durchkommen ist. Nachts werden wir einmal kräftig durchgeschüttelt, als das Schiff eine Sandbank rammt. Das lehmbraune Wasser bringt viele entwurzelte grosse Bäume mit. Es klingt fast wie Donner, wenn das Schiff einfach darüber hinweg rumpelt, wir staunen dass der Schraube nichts passiert. Der Fluss sucht sich immer wieder ein neues Bett, so dass es der Erfahrung des Kapitäns zu verdanken ist, dass er uns gegen die Strömung am Ufer entlang sicher durch die Untiefen steuert. Wie bei einer Flusskreuzfahrt, legt das Schiff ab und zu bei einer Siedlung an, um Proviant aufzuladen das Essen ist im Fahrpreis inbegriffen. Im Wald turnen Affen in den Bäumen, Tukane und Papageien können wir beobachten und Flussdelfine sehen wir. Eine gut 15cm lange Gottesanbeterin verirrt sich aufs Schiff, hoffentlich frisst sie ein paar von den stechenden Plagegeistern. Viele Goldsucher bevölkern mit ihren Pumpen das Steilufer. Leider vergiften sie mit den Chemikalien das Wasser, das ist mit ein Grund, dass manche Fischarten aussterben und Pyranhas überhand nehmen.
Nach 6 Tagen verlassen wir das Schiff und machen uns auf einer löchrigen Asphaltstrasse auf den Weg nach Cuiaba im Süden. Hier wurde deutlich mehr Wald gerodet, als nördlich von Manaus. Die Erosion hat bereits eingesetzt und zu Erdrutschen und einer tristen Szenerie aus verkohlten Baumstämmen und spärlichem Grass geführt. Magere Rinder trotten über die Strasse und Menschen bitten um Grundnahrungsmittel oder Malariatabletten. Bald gibt es auch Maisfelder, es schüttet immer wieder wie aus Kübeln und in der Sonne dampft dann die ganze Landschaft wie ein Wasserkessel. 40 000 km und mehr als ein Jahr sind wir nun unterwegs als wir von Campo Grande aus ins Pantanal fahren. Hier gibt es noch Viehtriebe und Cowboys wie früher im Wilden Westen. 2 grosse Flüsse überschwemmen das Grasland in der Regenzeit. Wenn das Wasser zurückgeht stranden viele Fische. Unzählige Marabus, Reiher und Raubvögel versammeln sich zu einem Festmahl, nur die ausgebleichten Skelette der etwa 40cm langen Pyranhas bleiben als Überreste zurück. Die wenigen Facendas liegen auf kleinen Anhöhen und sehen viel gepflegter aus, als die armseligen Anwesen im Norden. Es gibt Capivaraherden, grosse Pantanaltukane und den selten gewordenen Hyazinthara.
Nach dieser faszinierenden Natur mutet die Retortenstadt Brasilia fast wie ein Gewächs aus einer anderen Welt an. Trotzdem sind die Gebäude eindrücklich. Die Gegend ist viel trockener, es gibt hier Minen für Halbedelsteine und zu unserer grossen Überraschung kommt uns auf der Strasse der weisse Bus von Brigitte und Martin entgegen. Natürlich campieren wir zusammen und erzählen bis in die tiefe Nacht von den Erlebnissen der Reise. Sie wollen weiter nach Nord Amerika , wir suchen ein Schiff nach Europa.
In Rio de Janeiro können wir bei Rani einem Basketballkollegen von Walter im Hof campieren. Mit ihm erleben wir auch den Carneval aus der ersten Reihe, denn wegen des Rollstuhls haben wir Extraplätze. Wir freuen uns natürlich darüber, denn oft müssen wir auch mit Nachteilen zurechtkommen. Über Sao Paulo fahren wir zum Staudamm Itaipu , es ist das grösste Wasserkraftwerk der Welt und wurde 1984 eingeweiht. Noch viel beeindruckender sind die Wasserfälle von Iguazu. Wir sind bei einer Früheren Reise schon mal hier gewesen. Sie Stege von damals fielen einem Hochwasser zum Opfer. Auch beim 2. Mal sind wir begeistert von den Fällen inmitten des Waldes mit Schmetterlingen, Papageien und vielen anderen bunten Vögeln. Der Rio Iguazu führt doppelt so viel Wasser wie der Rhein an der Mündung. Diese Mengen donnern in der Garganta del Diabolo 80m in die Tiefe. Unseren Aufenthalt an der Atlantikküste zwischen Rio und Santos und die Zeit in Rio haben wir sehr genossen. Die Brasilianer sind sehr herzlich und hilfsbereit.
Das Erledigen der Papiere vor der Abfahrt des Schiffes war dann Bürokratie pur. Am 16. April fahren wir die Auffahrtsrampe hinauf in den Bauch der Republica di Pisa (ein RoRo Schiff der Grimaldi Line). An Deck ist eine Kabine für uns reserviert. Die ganze Nacht werden pausenlos Fiat Uno eingeladen, die Teile kommen von Italien und wurden in Brasilien zu Autos. Am kommenden Tag dem 17.April 1990 setzt sich das Schiff in Bewegung, es sind nur 18 Passagiere an Bord. Dieses Mal erleben wir eine ruhige Atlantiküberfahrt, erst im Mittelmeer stürmt es dann richtig.
Am 1. Mai kommen wir in Livorno an. Auf der Heimfahrt, nach dem Bezahlen der italienischen Autobahngebühren geht uns buchstäblich das Geld aus. Unsere letzten 9,50 Sfr investieren wir in Kaffee und Gipfeli. Am 2. Mai werden wir in Pfaffnau von Walters Familie herzlich empfangen und auch in Weingarten wird zur glücklichen Heimkehr bei einem Grillfest ein Schaf am Spiess gebraten.
Für uns war es eine unvergessliche Zeit und gleichzeitig der Beginn von anderen Träumen, die noch Verwirklicht werden können...